auf Shetland

Der Hafen von Lerwick wirkt viel größer als die von Stromness oder Kirkwall. Auch die Stadt erscheint größer, weniger wie ein kleines Landstädtchen, mehr wie Industriestadt mit viel Lärm, Menschen, Dreck.

Von der Fähre nehme ich dann den direkten Weg nach Norden. Mir ist etwas kalt, ich habe noch die Sachen von der Überfahrt an und trete ordentlich in die Pedalen. Erst auf dem ersten Paß wird mir wärmer. Es geht gleich wieder abwärts und danach mit kräftigem Rückenwind weiter. Ich frühstücke in einer Bushaltestelle, ziehe mir einiges an Sachen aus und richte mich nach Osten. Auf einer kleinen Straße geht es an der Küste entlang.

Die sehr schmale Straße schlängelt sich durch die Landschaft und bringt mich zur ersten Sehenswürdigkeit des Tages. An der South Nesting Bay befinden sich die Überreste, diesmal aber wirklich nur Reste einer frühen Siedlung. Die Sonne kommt gerade hinter den Wolken hervor und überstrahlt alles mit ihrem sanften Licht.

Nach einem Anstieg komme ich nach einer rasanten Abfahrt entlang der Saxo Voe, vorbei an einem Fähranleger und schließlich nach Lunna. Eine der ältesten Kirchen Englands steht fast direkt am Ufer. Gleich dahinter steht die Ruine eines Wohnhauses und läßt die Bucht als das Ende der Welt erscheinen. Hinter einer Anhöhe liegt das Lunna House. Im zweiten Weltkrieg diente es als Schaltzentrale des norwegischen Widerstandes.

Es gibt Gegenwind, ich muß die gleiche Straße wieder zurück und nun erweist sich mein Freund der letzten Stunden auch als mein größter Feind. Zum Glück sind es nur einige Kilometer, aber dann bin ich froh, die Hauptstraße zu erreichen. Bis zurück nach Voe kommt der Wind dann schräg von vorne, ab da schiebt er wieder.

Ruine in Lunna

Muness Castle


Bis zur Fähre auf die Insel Yell ist es dann nicht mehr weit. Es geht bei 5 bis 6 Windstärken über das Wasser. Aber die Wellen sind hier klein. Weiter geht es an der Südküste von Yell. Der Wind bläst wieder von der Seite. Und bis Burravoe brauche ich wieder die gesamte Straßenbreite zum ausweichen.

Hier besuche ich das Heimatmuseeum im Old Hea (altes Haus) und sehe mir eine Sammlung von Resten verschiedener vor der Küste gestrandeter Schiffe an, dazu noch eine Reihe von Gerätschaften, die von den Bauern früher benutzt wurden. Die liebevoll gestaltete Ausstellung zeigt sehr deutlich das schwere Leben in früheren Zeiten und die ständige Bedrohung durch Unwetter und Hungersnöte. Besonders die Fotos vom Anfang diesen Jahrhunderts waren sehr beeindruckend.

Es geht weiter Richtung Norden. Die Landschaft ist total vernarbt. Furchen durchziehen das Land und durch den Torfabbau ist die Pflanzendecke extrem gestört. Überall kleine Ecken mit abgestoßenem Torf, dann wieder Heide, gestapelter Torf und der nächste Torfstich. Das alles unter einer durch den Dunst fade hindurch scheinenden Sonne.

Der Südwind treibt mich weiter nach Gutcher, wo die nächste Fähre startet. Von hier komme ich nach Belmont auf Unst, der nördlichsten Insel Shetlands. Die Landschaft ändert sich wieder. Moorflächen fehlen fast vollständig. Dafür gibt es saftige Weiden und endlich die berühmten Shetlandponys. In den letzten Jahrhunderten begehrt als Transportmittel in den englischen Bergwerken, haben sie ihre Bedeutung als Nutztiere fast eingebüßt, aber die Zucht geht weiter.

Vorbei an einem einsamen Standing stone komme ich zum entlegensten Castle Groß Britanniens. Muness Castle reckt seine verwitterten Mauern den rauhen Winden der kalten Nordmeere entgegen. Einsam steht die Burg an der Ostküste von Unst. Nur entfernt sind einige Häuser zu erkennen.

Ich treffe einen Italiener, der wahrscheinlich ebenso verwundert ist, hier noch jemanden zu treffen, wie ich. Wir unterhalten uns kurz und ich bitte ihn ein Bild von mir zu machen. Dann ist er auch schon wieder verschwunden. Ich genieße noch etwas die Sonne und ruhe mich im Windschatten der Mauern etwas aus.

Vor dem Muness Castle

Am Ende

Der schwierige Rückweg steht bevor. Bis hierher hat der Wind meist geschoben, aber jetzt bremst er total. Schon als ich die Fähre erreiche, bin ich total erledigt. Aber auf der anderen Seite fahre ich noch fast zehn Kilometer, ehe ich mir etwas abseits der Straße, geschützt durch einen kleinen Hügel, ein ruhiges Plätzchen suche.

In der Nacht regnet es wieder. Und am Morgen bleibe ich dann lange liegen, stehe erst auf, als der Regen aufhört. Ich hoffe für immer, aber nachdem ich gepackt habe und gerade das Zelt zusammen lege, fängt es wieder an. Auch der Wind bläst immer noch genauso stark wie am Vortag.

Es dauert ewig ehe ich die ersten zehn Kilometer hinter mir habe. Die Abfahrt bei Midyell nehme ich genauso schnell, wie ich am Vortag herauf gekommen war. Ich muß kräftig weiter treten, um nicht stehen zu bleiben. Am Windhouse ist nichts von einem Campground zu sehen, ein Glück, daß ich nicht gestern bis hier gefahren bin.

Der Regen wird immer stärker und dazu dieser mörderische Gegenwind. Ich habe nur wenig Lust mich weiter zu quälen und so mache ich in der nächsten Bushaltestelle erstmal eine Pause. Zum Glück sind das hier immer kleine Wellblech- oder Glashäuschen, die sehr gut gegen den Wind und Regen schützen.

Nach einer weiteren Ewigkeit erreiche ich die Fähre nach Mainland, die auch irgendwann losfährt. Das Wetter bleibt leider wie es war - eiskalter Regen wird durch starken Wind getrieben. Langsam schleiche ich den ersten Berg auf Mainland hinauf, der Regen nimmt nochmals zu. Dann biege ich Richtung Brae von der Hauptstraße ab.

Von Sullum Voe sehe ich fast nichts. Eigentlich müßte es wie ein Fremdkörper in der rauhen Landschaft liegen. Aber der Dunst verschleiert den Blick auf den größten Gas- und Ölumschlagplatz Europas total. Nur vage sind einzelne Flammen der Abfackelungsschornsteine zu sehen. Hier liegt also der Wohlstand Shetlands verborgen.

Am Flugplatz landet gerade ein Flugzeug, die Straße vor der Rollbahn wird kurzzeitig gesperrt. Brae erreiche ich dann völlig abgeschlafft. Ich starte eine Einkaufsorgie, kann mich dann aber doch noch bremsen. Ich war kurz davor, den Tag für heute zu beenden aber eine Tafel Schokolade und Bananen bauen mich soweit wieder auf, daß ich erstmal noch weiter fahren will. Und plötzlich ist das Wetter wieder mit mir. Der Regen hört auf und nur noch der Wind bremst.

Dann sehe ich wieder wo ich bin und habe wieder Freude am fahren. Die Straße führt durch ein breites Tal, genau in Nord-Südrichtung. Rechts und links wird es begrenzt von den Gebirgszügen Lang Kamen und Mid Kamen. Dazwischen ist nur Heide und kein einziger Baum.


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