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Die Karkasse walkt ...
oder ein kleiner Exkurs in die Reifentheorie

Es gibt eine Reihe verschiedener Faktoren die die Geschwindigkeit eines Fahrrades (oder auch Fahrzeuges allgemein) beeinflussen. Tuning am Laufrad und hier insbesondere am Reifen bringt für relativ wenig Geld große Effekte, allerdings kommt es auch darauf an, die Möglichkeiten zu kennen. Deshalb im folgenden einiges zur Reifentheorie.

Teil eins:

Rollwiderstand

Ganz einfach gesagt: Ein Reifen hat einen Rollwiderstand, weil die Karkasse walkt. Walken heißt hier soviel wie Arbeiten und Arbeiten verzehrt Energie.

Die Karkasse (oder das Skelett) eines Reifens wird gebildet durch eine Menge Gewebe, daß den Reifen zusammenhält. Dazu kommt dann als Kontaktschicht und zum Schutz der Karkasse noch etwas Gummi. Dieser sorgt für den Grip auf dem Untergrund. Bei Profilreifen wird der Grip durch das Profil noch verstärkt.

Der entstehende Walkwiderstand hängt sehr stark von der Art des Gewebes (Dicke der Fäden, Material, Webart) und den verwendeten Gummisorten und Gummimenge ab. Dazu kommt auch noch der Einfluß des Luftdrucks.

Grob gesagt: wenn viel Masse oder dickes Gewebe drin oder dran ist, muß auch viel arbeiten und das schluckt auch viel Energie und dies ist dann der gemeinte Widerstand.

Umkehrschluss: schwere Reifen laufen i.a. schwerer als leichte Reifen. Ausnahmen bestätigen die Regel.

Teil zwei:

Breite Reifen laufen leichter als schmale!

Diese Erkenntnis ist eigentlich alt, wird aber erst seit wenigen Jahren erfolgreich auch in die Tat umgesetzt.

Zu beachten ist jedoch, daß dies nur bei gleichem Luftdruck so ist. Die Theorie besagt dazu: Beim Abrollen sackt der Reifen auf der Aufstandsfläche ein und ist unten sozusagen platt bzw. hat er eine gerade Fläche.

Die Größe der Fläche ist direkt vom Luftdruck abhängig und der Fläche nach konstant. Sie ist bei breiten Reifen breit und kurz, bei schmalen Reifen schmal und lang. Das ganze kann dann mit einem Hebelsystem verglichen werden. Der lange Hebel (also lange Aufstandsfläche) hat viel Kraft (die zu überwinden ist) und der kurze entsprechend weniger.

Allerdings können schmale Reifen mit wesentlich mehr Luftdruck gefahren werden, das ist zwar unbequem und bremst bei rauhem Untergrund etwas, aber sowie der Untergrund glatt ist, ist der Rollwiderstand minimal. Schmale Reifen mit viel Luft fahren auf ebener Fläche also leichter als breitere Reifen mit entsprechend weniger Luftdruck. Breite Reifen müssen auch mit weniger Luftdruck gefahren werden, da sonst die Felge platzen kann.

Teil drei:

Massenträgheit

Bei der Beschleunigung muß in erster Linie die Masse in "Schwung" gebracht werden - also auch hier muß Energie aufgewendet werden, um das Rad vom relativen Ruhezustand in ein höheres Energieniveu (größere Geschwindigkeit) zu bringen (gilt im übrigen auch beim Bremsen).

Beim Beschleunigen ist dann nur noch die Masse entscheidend. Viel Masse = viel Energie. Bei einem Rad ist die Masse die außen ist besonders entscheidend, da die Masse des Laufrades um die Nabe herum beschleunigt werden muß.

Und werden gerade für die Teile, die weit weg sind, größere Kräfte benötigt- ganz grob mit den Hebelgesetzen vergleichbar. Nur eben anders herum. Also ist es bei einem Rad wichtig, daß die Felge, Schlauch und Reifen leicht sind.

Ich hatte, als ich den Schwalbe Big Apple (der ja ausdrücklich für die Stadt gedacht ist) bestellte, auch nicht bedacht, daß er weit über 800g (genau 858g) wiegen könnte. Mein leichtester MTB-Slick, den ich noch für die tägliche Stadtrunde benutzen würde (Ritchey Tom Slick - 1,4” und bereits etwas gefahren), wiegt gerade 350g.

Und gerade in der Stadt nervte mich der Big Apple bei den häufigen Ampelstarts mit seiner Trägheit. Beim gemütlichen cruisen ist das nicht mehr so stark zu merken, da hier mit wesentlich gleichmäßigerer Geschwindigkeit gefahren wird.

Teil vier:

Profilierung

Eine da dann eher untergeordnete Rolle spielt noch das Zusammenspiel von Profil und Gummimischung. Ganz grob gesagt, laufen Reifen ohne Profil, also Slicks, leichter als welche mit Profil.

Hier spielt jedoch auch die Art der Gummimischung und die weiter oben beschriebenen Faktoren eine sehr große Rolle. Tests von Fahrradzeitschriften haben gezeigt, daß manche Reifen mit Profil leichter laufen, als welche ohne.

Teil fünf:

Windwiderstand

Ebenso unwichtig ist für die meisten von uns der Windwiderstand, den der Reifen erzeugt. Auf Grund seiner Breite hat jeder Reifen eine bestimmte Fläche, die sich dem Wind entgegen stemmt. Der Windwiderstand wächst dabei mit der Fläche. Breite Reifen haben demzufolge einen größeren Widerstand als schmalere.

Das Gemeine dabei ist ja, daß der Windwiderstand in etwa mit dem Quadrat der Geschwindigkeit wächst, im Gegensatz zum Rollwiderstand, der nur linear wächst. Das bedeutet, daß bei höheren Geschwindigkeiten irgendwann der Rollwiderstand keine Rolle mehr spielen wird.

Die Theoretiker der Schnellfahrszene können Euch sogar vorrechnen, wieviel schneller das Bike bei einer bestimmten Energiezugabe wärst, wenn der Reifen um 1 mm schmaler wäre. Aber das führt hier wohl zu weit. Auf der Homepage KREUZOTTER.de gibt es dazu eine interessante Berechnungsspielerei.

Teil sechs:

Fahrbahn - Untergrund

Interessant wird es, wenn der glatte Asphalt verlassen wird: Bei glattem Asphalt ist i.a. der schmale Reifen ohne Profil und mit viel Luftdruck der Sieger. Nicht ohne Grund fahren die Rennradprofis ganz schmale Reifen mit ganz viel Druck --> 10 bar in ihren Reifen.

Wenn aber der Untergrund weicher oder rauher wird, kann ein breiterer Reifen trumpfen. Wenns weich wird, sinkt der schmale unnötig ein und wird langsam, wenns rauher wird, fängt der schmale an zu Hüpfen, wenn viel Luft drin ist, wenn wenig Luft drin ist, krommt schnell ein Platten. Und dieses Hüpfen kostet auch wieder etwas von der kostbaren Energie, dazu macht es das Bike schlechter beherrschbar.

Der dicke Reifen dagegen legt sich teilweise um den rauhen Belag herum und walkt nicht viel mehr, als wenn auf richtig glattem Asphalt gefahren wird. Und durch seine Breite und damit sehr grosse Fläche, auf der er steht, gräbt er sich auch nicht so ein, wenn der Asphalt verlassen wird...

Kleiner Tip:
wenn der Untergrund extrem weich wird (z.B. Sand, der nur auf der Oberfläche eine ganz dünne nicht so weiche Schicht hat) kann der Reifen auch mit einem Reifendruck unter 1 bar dort gefahren werden, wo derselbe Reifen sonst soweit einsinken würde, dass nichts mehr geht. Habe das Im Sandergebiet südlich der Askja in Island gemacht und konnte so fast den gesamten Sander durchfahren (immerhin ca. 10 von 12 oder 13 Kilometern). Risiko hierbei sind dann aber spitze harte Gegenstände im Untergrund, die schnell bis zur Felge durchschlagen und so einen Platten verursachen.

alles klar?

Weiterführend noch einige:

Links zu Reifenherstellern:

Continental
deutscher Reifenhersteller mit Reifen für fast alle Fahrzeugtypen, früher bevorzugte ich Continental, weil die Reifen nicht nur gut waren, sondern weil auch die MTB-Reifen und Schläuche in Deutschland hergestellt wurden. Heute kommt die Globalisierung voran und ich hatte schon Schläche aus Indien. Continental will die Verlagerung der Produktion in Billiglohnländer auch noch weiter vorantreiben.

IRC
japanischer Hersteller von Bike- und Motorradreifen - die erste Firma die schon Anfang der neunziger sehr schnelle breite 28"-Reifen herstellte, als die Trekking-Welle noch nicht rollte.

KENDA
amerikanisch-taiwanesischer Reifenhersteller mit einer breiten Allroundpalette, die Bikereifen stellen nur einen kleinen Teil der Produktlinie

maxxis
MTB, Straßen, BMX - Reifen

Michelin
Deutsche Übersichtsseite zu den Michelin Fahrradreifen

Nokian Tires
finnischer Reifenspezialist mit mehrsprachiger Seite, legendär sind die Spikes-Reifen fürs Bike, Nokian-Reifen werden teilweise in Finnland gefertigt.

Panaracer
Japanischer Reifenhersteller, der mit dem Smoke richtig bekannt wurde, mein aktueller Favorit ist der Mach SK in faltbarer Version, der sich sehr gut in lockerem Sand fährt

Rubena
tschechischer Hersteller von Reifen

SCHWALBE
deutscher Reifenentwickler mit Herstellung in Fernost. Spätestens seit 2003 Vorreiter der bigger is better Philosophie bei Reifen. Mit einigen breiten und doch leichten und schnellen MTB-Reifen im Programm. Nach meiner Einschätzung hat dieses Motto aber Einschränkungen. Zudem hatte ich schon zwei mal ein Problem mit einem Reifen: Zum einen war bei einem Black Shark das Profil an einer Stelle des Reifens nach außen verschoben und über meine Erfahrungen mit dem Big Apple habe ich oben schon berichtet.

W T B
Reifen und andere Teile


Neben den hier genannten Firmen gibt es noch eine Reihe anderer Firmen die Bikereifen herstellen oder herstellen lassen, auch Bikehersteller wie z.B. : bontrager, Corratec, KONA , Ritchey und specialized