ORKNEY

Wenige Tage später erreiche ich Thurso an der Nordostspitze Schottlands. Am folgenden Morgen wache ich früh auf und als die ersten Sonnenstrahlen mein Zelt berühren, breche ich auf und drehe eine Runde durch das schlafende Thurso. Vom kleinen Bahnhof fahre ich in Richtung Burg, komme aber nicht nahe heran, da das Gebäude zu baufällig ist. Nach ausgiebigem Frühstück packe ich langsam ein und bin gegen 10.00 Uhr bereits an der Fähre.

Leichter Nieselregen setzt ein, der alles mit einem feuchten Schleier zudeckt. Er endet erst, nachdem die Fähre gegen 12.00 Uhr ablegt. Außer mir ist anscheinend nur noch ein weiterer Radfahrer an Bord, auch wenn ich sein Rad nirgendwo gesehen hatte.

Die Fahrt geht hinaus in den Dunst. Die Orkneys sind nicht mehr zu sehen, obwohl sie gestern in greifbarer Nähe waren. Das Schiff schaukelt etwas. Durch die Wärme an Bord nicke ich ein. Als ich erwache, tauchen die Klippen von Hoy aus dem Dunst auf. Der Old man of Hoy, eine einsam stehende Felsnadel, ist gut zu erkennen. Kurz darauf passieren wir St. John’s Head, die mit 378 Metern höchste Klippe Groß Britanniens. Die beiden Leuchttürme auf Graemsay tauchen auf und kurz darauf laufen wir in Stromness ein.

Runter vom Schiff und los geht’s. Ich nehme die Straße nach Orphir. Es fängt wieder an zu regnen. Stärker als in Scrabster, ich weiche völlig ein. In Orphir werde ich vom interessant gestalteten Saga-Zentrum empfangen. Vor dem Haus steht der nachgebaute Bug eines Wikingerschiffes und im Gebäude wird die Geschichte der Wikinger, das heißt die Orkneyinga Saga, anschaulich dargestellt. Da ist die Rede von wilden Horden, die das Land durchstreifen, von edlen Fürsten, schönen Frauen, Blutfehde, Mord und Hinterhalt. Ein Film veranschaulicht alles und ich erwarte jeden Augenblick eine Horde herein stürmender Wikinger.

Ich nutze die Wärme des Gebäudes, um mich aufzuwärmen. Als der Regen etwas nachläßt, erkunde ich auch die Umgebung des Gebäudes. Nachdem ich noch bei Regen ein Bild von der Ruine der Rundkirche gemacht habe, kommt auf einmal die Sonne heraus und bald hört der Regen auch auf. Ich traue dem Frieden aber noch nicht und fahre im Regenzeug weiter, schließlich trocknet es so auch besser.

An der Einfahrt zum Hobbister Vogelschutzgebiet bekomme ich plötzlich Hunger und biege ab. Statt Vögeln sehe ich aber nur den Tanker, der mitten in der Bucht von Scapa Flow ankert und die Flamme des Occidential Oil Terminal.

Durch Kirkwall fahre ich nur hindurch, schließlich komme ich ja noch mal wieder und fahre weiter bis zum Südende von Mainland. Über die erste Churchill Barrier komme ich nach Lamb Holm und erst an der zweiten Churchill Barrier sehe ich die erwarteten Wracks. Es ist aber nicht mehr viel übrig von ihnen. Nach einem Abstecher zur Italian Chapel mache ich mich auf den Rückweg nach Kirkwall. Dazu nehme ich eine andere Straße und komme am Flughafen vorbei. In einer Senke der Inganess Bay erstreckt er sich mit seinen zwei Landebahnen. Über einen letzten Berg gelange ich nach Kirkwall. Die Sonne färbt die Wolken von oben silbern und der Gegenwind bremst die Abfahrt. Der Zeltplatz ist der billigste bisher, für ein kleines Zelt und eine Person zahle ich nur 2,50 Pfund.

Auch an diesem Morgen lasse ich es wieder langsam angehen. Nach dem Bezahlen warte ich noch etwas bis das Zelt trocken oder zumindest fast trocken ist und fahre dann noch mal nach Kirkwall hinein.

Der erste Weg führt mich zum Safeway, die Vorräte auffüllen. Von da geht es ins Zentrum den Earls Palace und die St. Magnus Kathedral, beides sehr interessante Bauwerke, ansehen und schließlich besuche ich noch einen Buchladen und kaufe dort eine englische Ausgabe der Orkneyinga Saga.

Mit Blick auf die Bay of Firth frühstücke ich. Eigentlich hatte ich keinen Blick, denn der war versperrt durch einen Hügel, auf dem ein Vogelschutzgebiet angelegt war. Von Firsttown geht es nach Norden, das heißt Gegenwind, trotzdem läuft es sehr gut. Am Denkmal für die im Ersten Weltkrieg gefallenen mache ich eine kurze Pause, dann geht’s weiter zum Brough of Gurness.

Die 2.50 Pfund Eintritt lohnen sich in jedem Fall, denn zu sehen sind hier die Reste einer 5000 Jahre alten Siedlung.

Von hier fahre ich auf einen Berg hinauf, ein riesiges Windkraftrad zieht mich magisch an. Es gehört zu einer Versuchsanlage zum Test von solchen Geräten und hat 3 MW Leistung. Es ist eines der größten der Welt. Daneben stehen noch zwei kleinere Anlagen von jeweils 250 kW.

Nach kurzem Downhill bin ich wieder auf der Straße. Ich beobachte von hier die Tideströmung zwischen Mainland und Eynhallow.

Die Reste des Earls Palace in Birsay faszinieren mich total. Die dicken Mauern mit den kleinen Fensteröffnungen und dazu noch dieser Türanschlag aus dem Stein gehauen. Dann habe ich erstmal wieder genug von Kultur, spare mir den Abstecher zum Brough of Birsay und fahre gleich nach Skara Brae.

Der Weg führt mich vorbei am Kitchener Memorial hinunter zur Bay of Skaill und weiter nach Skara Brae. Die Reste der Siedlung sind auch hier wieder sehenswert, aber auch dementsprechend gut besucht. Mehrere Reisebusse haben gerade ihre Fracht entladen und so war an entspanntes Besichtigen kaum noch zu denken.

Durchs Inselinnere fahre ich zum Ring of Brogdar, einem Steinkreis mit ursprünglich 60 Steinen und mit einem Durchmesser von 103 Metern. Nur einige der Steine stehen noch. Erst 1980 wurde erneut einer von einem Blitz getroffen und wurde dabei zerstört. Der Ring ist von einem Graben umgeben. Ein Mann soll dafür ca. 10.000 Arbeitstage gebraucht haben, mit 100 Leuten jedoch soll es aber in einem Sommer zu schaffen sein.Weiter geht es nach Stennes, zur Barnhouse-Siedlung, Maes Howe und zum Unstan Hügelgrab. Gegen 19.00 erreiche ich den Zeltplatz in Stromness.

Scara Brae

Heute lege ich endlich den wohlverdienten Ruhetag ein. Das Wetter ist auch danach, die Wolken hängen sehr tief und sind fast wie Nebel. So fällt es mir leicht, auf den Trip zur Insel Hoy zu verzichten. Einzig der verrückte Traktorfahrer, der noch vor acht Uhr über den Zeltplatz kurvt und den Rasen mäht, nervt verdammt. Eigentlich erstaunlich, daß er dabei kein Zelt abmäht und sogar alle Spannleinen ganz bleiben.

Den Vormittag verbringe ich damit, im Zelt herumzuhängen und zu beobachten, wie die Leute abreisen. Gegen Mittag beginne ich dann meine Rundfahrt durch Stromness. Der Küstenlinie folgend fahre ich nach Westen, eigentlich weg vom Ort. Dabei komme ich an Resten der Befestigungsanlagen vorbei.

Grau und rechtwinklig stehen die Betonteile in der Gegend herum und erinnern an die Bedeutung Scapa Flows während der beiden vergangenen Weltkriege. Mich wundert vor allem die geringe Dicke der Betonmauern, ich glaube kaum, daß es mehr als nur ein moralischer Schutz vor Granaten oder Bomben war. Am ehesten wohl ein Schutz gegen MG-Salven.

Im weiteren Küstenverlauf passiere ich eine interessante Version der Absicherung von Geländesprüngen. An Stellen, wo die Erosion zu sehr an der Küste nagt, wurden mit trockenem Beton gefüllte Säcke übereinander gestapelt und dann wahrscheinlich befeuchtet. Ich glaube zwar kaum, daß dies irgendeiner EU-Norm entspricht, aber hier hält es, schließlich soll nur die Erosion behindert werden.

Hinter dem Friedhof biege ich ab in Richtung Ort und versuche einige der alten Häuser zu besuchen bzw. zu besichtigen. Leider kann ich das Haus, in dem der „Chef“ der Hudson Bay Company herrschte, nicht besuchen. Es befindet sich auf dem Gelände der Seeschiffahrtsbehörde. Auch von anderen Gebäuden war ich enttäuscht, denn glatt verputzt waren die früher bestimmt auch nicht.

Das Einlaufen der Fähre St. Ola erlebe ich schon wieder aus dem Zelt heraus. Die Sonne kommt kurz heraus und taucht das Schiff in einen Lichtkegel. Ich fahr dann noch mal hinein nach Stromness, hole etwas Geld von der Bank und kaufe einige Vorräte für die Überfahrt. Bis 17.30 Uhr hänge ich noch auf dem Zeltplatz herum, dann hält mich aber nichts mehr und ich packe zusammen.

Bis zur Ankunft der St. Sunniva, die mich weiter nach Shetland bringen soll, sitze ich an der Kanone der Hudson Bay Company. Ich wünschte ich könnte dem Schiff einen Schuß als Begrüßung entgegen schleudern.

Die Zeit will erst gar nicht vergehen, aber schließlich kommt die Fähre und ich breche auf zum Hafen. Sie kommt aber aus einer völlig unerwarteten Richtung, statt von rechts um Hoy herum kommt sie direkt durch Scapa Flow auf den Hafen zu.

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